Wahlkampf auf dem Rücken von Opel und Co.
Die Sache Beteiligung des Staates ist nicht das einfachste Thema. Auch nicht eine Insolvenz eines Unternehmens. Normalerweise würde so etwas nicht viel Wirkung nach außen haben und schon gar nicht sehr medienwirksam sein. Aber wie gesagt, nur normalerweise. Denn wir reden hier nicht von einem gerade kleinen Unternehmen, sondern von Opel. Einem Traditionsautobauer mit mehr als 25.000 Arbeitsplätzen in Deutschland, der durch den Mutterkonzern General Motors schwer ins Taumeln gekommen ist. Nun mag man ja sagen: 25.000 Arbeitsplätze? Das ist nicht viel, und hat nicht wirklich Systemrelevanz für unser Land. Nein, die Zahl der unmittelbar bei Opel betroffenen Arbeitnehmer ist wirklich nicht hoch. Doch dazu kommen unzählige Arbeitsplätze bei Autozulieferern und bei Autohändlern. Und was noch dazukommt, ist eine ganz andere, jedoch für die Öffentlichkeit nicht mindere Tatsache: Es ist Wahljahr und in wenigen Tagen stehen die Europawahlen an. Und im September dann die Bundestagstagswahlen. Grund genug für die Damen und Herren Politiker, immer mehr mit dem Wahlkampf zu beginnen, und dies auf dem Rücken von Opel und anderen, wirtschaftlich angeschlagenen Unternehmen auszutragen.
Da reibt sich einer an dem anderen, und den guten Herrn zu Guttenberg hassen alle gerade sowieso in der Großen Koalition, wie es scheint. Ist es dabei aber nicht seltsam, wie sehr gerade seine äußerst realistischen Töne auf, zum Teil sogar sehr barsche, Kritik stoßen?
Während Kanzlerin Merkel, Vizekanzler Steinmeier, Bundesfinanzminister Steinbrück und Hessens Ministerpräsident Koch für eine staatliche Hilfe bei Opel waren, sah zu Guttenberg die Gefahr eines solchen Überbrückungskredits ohne Sicherheiten im Hintergrund, ob der deutsche Autohersteller damit auch wirklich gerettet sei. Eine Übermacht für die Hilfe von Vater Staat für Opel, und der Neue, der erst seit kurzer Zeit im Amt befindliche Bundeswirtschaftsminister zu Guttenberg schlägt völlig quer und vor allem ganz andere Töne an. Und bleibt auch weiter seiner Linie treu, trotz Beschuss von allen Seiten.
„Staatliche Beteiligungen an Unternehmen der Realwirtschaft kommen für mich auch weiterhin nicht in Frage.“ sagte er deshalb heute auch bei einer Podiumsdiskussion der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Und macht damit klar: Die Sache Opel ist wird sich nicht wiederholen, auch nicht für ein Unternehmen wie Arcandor, das jetzt laut nach Hilfen für die bereits seit Jahren angeschlagene Warenhauskette Karstadt schreit und teilweise bereits in Richtung Erpressung ging. Wenn ihr uns kein Geld gebt, machen wir den Laden bald Dich. So klang es vor einigen Tagen aus der Konzernzentrale von Arcandor. Und doch werden die Schreie vergeblich sein. Denn ausnahmsweise ziehen zu Guttenberg und Kanzlerin Merkel hier wieder an einem Strang: „Ich bleibe dabei, dass wir bei Opel einen Sonderfall hatten. Ich sehe keinen zweiten solchen Fall“, sagte die Bundeskanzlerin heute bei der gleichen Podiumsdiskussion.
Doch zu Guttenberg ging hier, anders als Angela Merkel, noch weiter in die Tiefe. „Wir werden uns bei jedem Eingreifen deutlich machen müssen, ob wir auch eine Exit-Strategie haben“, weshalb es für staatliche Maßnahmen klare Kriterien geben müsse. „Diese Kriterien können nicht die Lautstärke des Rufens sein und auch nicht die Medienrelevanz der betroffenen Unternehmen“.
Seinen Kritikern wirft er dann noch entgegen, nicht streitend, aber mit wohlformulierten Worten:
„Wir sind aufgerufen, in diesem Land der Stigmatisierung des Begriffes Insolvenz entgegen zu wirken.“ Denn es könne „sehr wohl sein, dass in den nächsten Wochen und Monaten diese Option eine hilfreichere sein mag.“ Und: „Sätze wie: ‚Auf die zwei, drei Milliarden kommt es auch nicht mehr an‘ dürfen nicht hoffähig werden“.
Und damit trifft er den Nagel auf den Kopf, der neue Bundeswirtschaftsminister. Milliarde um Milliarde wird gerade verschleudert, ohne hinzusehen, ob das Ganze eigentlich etwas bringt. Die Hypo Real Estate, längst dem Untergang geweiht, verschlingt wie ein gieriges Monster Milliarden in dreistelliger Höhe und kriegt immer noch nicht genug. Denn genau hier setzt er weiter an, und macht seine eigene Meinung deutlich: „Enteignung ist das gänzlich falsche Signal, egal wie erfolgreich man am Ende des Tages auch damit gewesen sein mag.“> Und gibt dies in gewisser Weise auch als Antwort auf das, was die Kanzlerin etwa zwei Stunden vor ihm gesagt hatte: „Wir haben uns lange herumgeqält mit der Frage der Enteignung einer Bank. Wir haben so viele Barrieren eingebaut, dass es dazu nun möglicherweise nicht kommen muss.“ Denn als Bundeskanzlerin könne sie es „schwer vertreten“, eine Bank „mit Steuergeldern wieder aufzupäppeln“. Die Frage nach den Randbedingungen stelle sich hierbei.
Die Fronten sind also weiter klar. In manchen Punkten geht man als Bundesregierung konform weiter, in manchen Punkten unterscheiden sich die Wege und die Gedanken völlig voneinander. Realistisch betrachtet muss man jedoch eines sagen: Es kann und darf nicht sein, dass der Staat für Unternehmen wie Arcandor in die Bresche springt, die gar nicht aufgrund der Wirtschaftskrise Probleme haben, sondern deren desolater Zustand bereits in guten wirtschaftlichen Zeiten eine Tatsache war. Es wäre nur schön, wenn die Schreie nach Hilfen endlich verstummen würden und die Bundesregierung den Weg gehen würde, den zu Guttenberg einschlagen will: Den Weg des `Wir lassen uns von niemandem erpressen´.
Aber es ist eben das Superwahljahr 2009 und so können wir zwar hoffen, nichts davon wird sich jedoch in der Realität wiederfinden. Denn es ist Wahlkampf – und dieser wird nun mal gerade ausgetragen auf dem Rücken von Opel und Co.