Urteil des Bundessozialgerichtes bezüglich Hartz IV für Kinder

Mittwoch den 28.01.2009 - Abgelegt unter: Recht - Keine Kommentare »

Das gestern verkündete Urteil zum Hartz IV für Kinder könnte unser Sozialsystem nachhaltig verändern, sollte die Entscheidung des Bundessozialgerichtes durch das Bundesverfassungsgericht als oberste Gesamt-Gerichtsinstanz unseres Landes bestätigt werden.

Je Kind bis 14 Jahre wird im Moment von der Agentur für Arbeit ein Hartz IV-Satz in Höhe von 211 Euro ausgezahlt. Dies ist eine wesentlich niedrigere Summe, als eine erwachsene Person in einer Bedarfsgemeinschaft nach Hartz IV erhält. Nur 60 Prozent des Regelsatzes wird einem Kind zwischen 0 und 13 Jahren zugestanden, ab 14 bis zum vollendeten 18. Lebensjahr sind es „immerhin“ schon 80 Prozent.

Längst war klar, dass diese Berechnung eine einzige Farce ist. Wieso sollte ein Kind weniger Bedarf als ein Erwachsener haben? Denn: Was ein Kind weniger isst bis zum Jugendalter macht es gleich drei Mal wett bei dem ständigen Bedarf an neuer Kleidung, da es aus der alten herausgewachsen ist. Aber genau dies ist einer jener Punkte, der bei der Entscheidung über die Höhe des Hartz IV-Satzes für Kinder nicht mit einbezogen wurde. Und genau auf diese offene Wunde hat das Bundessozialgericht nun seinen Finger gelegt und gesagt, was hier geschieht, ist nicht rechtens.

Begründet wurde das Urteil zu Kinder-Hartz IV auch eindeutig:

„Nach Auffassung des Senats wäre der Gesetzgeber gehalten gewesen, in dem grundrechtssensiblen Bereich der Sicherung des Existenzminimums von Kindern den Regelsatz auf der Basis einer detaillierten normativen Wertung des Kinder- und Jugendlichenbedarfs festzusetzen. Nur eine solche Festsetzung ermöglicht den Gerichten, eine begründete Entscheidung darüber zu treffen, inwieweit der Betrag von 207 Euro noch im Gestaltungsspiel­raum des Gesetzgebers lag. Der Senat geht weiterhin davon aus, dass der Gesetzgeber den ihm von der Verfassung wegen zustehenden Ge­staltungsspielraum nicht überschritten hat, als er die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunter­halts für alleinstehende Erwachsene (nach § 20 Abs. 2 SGB II) mit 345 Euro festgesetzt hat. Die An­nahme von Verfassungswidrigkeit der Vorschrift über die Regelleistung für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres lässt nicht den Schluss zu, dass der Betrag von 207 Euro in jedem Fall als nicht ausreichend anzusehen ist, um den Lebensunterhalt von Kindern unter 14 Jahren zu sichern.“

Die Bundesregierung gibt sich indes gelassen zu dem Urteil und scheint abwarten zu wollen, was der BGH in Karlsruhe entscheiden wird. Nur: Nach der klaren Rechtssprechung des Bundessozialgerichtes wird das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes nicht so sehr abweichen von dem Tenor des BSG in Kassel. Denn es wäre mehr als verwunderlich, wenn ein Teil der obersten Gerichtsinstanz in unserem Lande eine konträre Entscheidung zu einem anderen Teil treffen würde. Dennoch ist hier abwarten angesagt, bis das Bundesverfassungsgericht sich der Hartz IV-Sätze für Kinder bis zum vollendeten 14. Lebensjahr annimmt. Genau um diese Alterszielgruppe ging es bei der Klage vor dem Bundessozialgericht. Die Altersgruppe 14 – 18 Jahre ist hierbei noch gar nicht bedacht, es ist jedoch zu erwarten, dass der BGH in seinem Urteil auch hierzu eine Grundsatzentscheidung fällen wird.

Doch das Bundessozialgericht ist nicht das erste Gericht in unserem Land, das die Regelungen von Kinder-Hartz IV für verfassungswidrig hält. Bereits das Hessische Landessozialgericht gab sein Urteil dazu ab  unter dem Aktenzeichen AZ L 6 AS 336/07. Dieses Urteil ist bereits in Karlsruhe anhängig zur Entscheidung, denn das Gericht in Darmstadt hält die Sätze für Hartz IV „weder mit der Menschenwürde in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot, dem Gleichheitsgebot und dem besonderen Diskriminierungsverbot gegenüber Familien sowie den Grundsätzen der Normenklarheit, Folgerichtigkeit und Systemgerechtigkeit in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar.“

Zwei wichtige Urteile von zwei hohen Gerichten in unserem Lande. Nun steht die Entscheidung vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe an. Wann es soweit sein wird, kann nicht gesagt werden. Sicher ist jedoch eines, so oder so wird das Urteil das soziale Gefüge unseres Landes verändern. Entweder bekommt die Bundesregierung Recht und die „Erfinder“ von Hartz IV. Oder es wird Recht gesprochen im Sinne der Verfassung und des Grundgesetzes und der BGH verlangt eine Neuregelung. Diese könnte dann sehr teuer werden, und vor allem möglicherweise auch im Nachhinein gewährt werden. Vielleicht sollte sich die Bundesregierung jetzt schon einmal Gedanken darüber machen, wie sie dann mit einem entsprechenden Urteil des Bundesverfassungsgerichtes umgehen mag. Doch es ist das Jahr der Bundestagswahlen, und eine höchstrichterliche Entscheidung ist nicht mehr vor den Wahlen zu erwarten. Also wie heißt es so schön: Nach mir die Sintflut?

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